Murph und Memorial Day
CrossFit, so sehr der Trend mittlerweile um die Welt geht, ist immer noch sehr amerikanisch geprägt. Hiermit einher gehen auch die Traditionen, die in den USA gepflegt und gelebt werden, wie z.B. die Feierlichkeiten zum Memorial Day. Die Ursprünge dieses US-amerikanischen Feiertages liegen noch in den Zeiten des Bürgerkrieges. Manche erinnern sich vielleicht: Aufgrund unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Ansichten, wie z.B. die Einstellung zur Sklavenhaltung, entfachte ein Krieg zwischen der Union der Nordstaaten und der Konföderation der Südstaaten der USA. Wie das bei Kriegen leider häufig so ist, sterben dabei viele Menschen unnötig. An diese Opfer wird seit dem Jahr 1882 offiziell in Form des Memorial Day erinnert, der anfangs nur an die Gefallenen im Amerikanischen Bürgerkrieg erinnern sollte, nach dem ersten Weltkrieg aber auf alle Gefallenen US-Amerikaner ausgeweitet wurde.
So ist es auch geschehen, dass Michael P. Murphy, ein Navy SEAL-Offizier, am 28. Juni 2005 im Zuge eines Feuergefechtes in Afghanistan von Truppen der Taliban getötet wurde. An diesem Tag führte Murphy drei weitere Kameraden in eine Aufklärungsmission gegen die Taliban. Während dieses Einsatzes begegnete das SEAL-Team drei afghanischen Hirten, welche sie, gemäß Einsatzregeln, am Leben ließen. Diese Hirten alarmierten allerdings die Taliban, woraufhin das Team um Murphy eingekesselt und in ein Feuergefecht verwickelt wurde. Nachdem alle vier Soldaten verwundet wurden, entschloss sich Murphy, seine Deckung zu verlassen, um von einem ungeschützten Standpunkt aus per Funk Hilfe anzufordern. Dabei wurde er von den Taliban erschossen. Zwei seiner Kameraden starben ebenfalls, der Dritte konnte gerettet werden, nachdem er von Paschtunen entdeckt und vor den Taliban verborgen wurde. Murphy selbst wurde somit nur 29 Jahre alt und hatte nie die Gelegenheit, ein langes und erfülltes Leben zu genießen, wie viele andere Amerikaner.
Dabei hatte er ein Lieblingsworkout, das er selbst „Body Armor“ nannte. Was schon einigermaßen respekteinflößend klingt, wird bei genauerer Betrachtung auch bestätigt. Das Workout besteht aus 5 Abschnitten, die sich in einen Lauf von einer Meile gliedern, der von 100 Pull-Ups, 200 Push-Ups und 300 Squats ergänzt wird. Zum krönenden Abschluss muss zum erfolgreichen Absolvieren dieses Workouts ein weiterer Lauf von einer Meile absolviert werden. Auffällig ist, dass für dieses Workout grundsätzlich keinerlei Gewicht benötigt wird, als das eigene Körpergewicht. Natürlich haben chronisch unterforderte Sportskanonen auch die Möglichkeit, zusätzlich zu diesem Workout noch eine Gewichtsweste zu tragen, die zwischen 8 und 20 Pfund wiegen kann. Für den Otto-Normal-Leidenden wird das reine Körpergewicht allerdings völlig ausreichen.
Durch Umfang und Dauer dieses Workouts fällt es in die Kategorie der Hero-WODs. Murph selbst hat eine Dauer von ca. 40-60 Minuten, wobei die endgültigen Zeiten natürlich vom Fitness-Level der einzelnen Teilnehmer abhängen. Sinn und Ziel der Durchführung dieses Workouts ist es, den Gefallenen Offizier Murphy zu ehren und gleichzeitig einen Eindruck der Qualen zu erhalten, die er und seine Kameraden erleiden mussten.
Doch auch abseits aller patriotischen Motive, die - speziell hier bei CrossFit Wiesbaden - nicht jedermanns Ding sind, kann es durchaus Sinn machen, sich diesem Monster von WOD zu stellen. Hierdurch kann man seine eigenen Grenzen kennenlernen und seine mentale sowie physische Fitness trainieren. Es wird gemunkelt, dass man die zweite Laufrunde, die gleichzeitig das Ende des Workouts einläutet, wie beflügelt* erlebt.
Vielleicht ist die Post-WOD-Euphorie nach einem solchen Workout noch größer und die damit verbundenen Glücksgefühle noch intensiver? Wer weiß. Finde es doch einfach heraus :)
Murph wird bei CrossFit Wiesbaden immer Ende Mai (am Wochenende vor dem Memorial Day) durchgeführt. Dabei wird es zwei Zeitpunkte geben, zu denen die Athleten sich dieser Herausforderung stellen können. Nach dem zweiten Durchgang wird es ein typisch amerikanisches BBQ geben. Die obligatorischen Post-WOD-Burger dürften nach einer solchen Schinderei mindestens doppelt so gut schmecken und das Wochenende gelungen abrunden.
* Weitere Recherchen haben ergeben, dass diese These eher ironisch gemeint war. Trotzdem stirbt die Hoffnung zuletzt, dass die Endorphine nach diesem Workout in ungeahnte Höhen schießen werden.
Happy Sweating!
Eine kleine Bildergallerie vom Memorial Day 2015