17.4 - Mein Baldrian

Die CrossFit-Woche Nummer 4 läuft. Die Open sind in vollem Gange und ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, Freitagabend auf allen Vieren in die Umkleide zu kriechen, nachdem ich mich im Open-Workout davor komplett zerstört habe. Dementsprechend gut gelaunt war ich auch diese Woche um 18 Uhr wieder am Start. Das Praktische ist ja, dass der Sport eine willkommene Ausrede ist, um nicht an der Masterarbeit weiterschreiben zu müssen. Immerhin muss man ja neben seinem Geist auch seinen Körper trainieren.

Nach einer entspannten Aufwärmprozedur mit Coach Marc (das ist nicht immer so, bei 17.1 war ich schon vom Aufwärmen platt!) fühle ich mich bereit wie nie, das Workout 17.4 anzugehen. Ein blöder Spruch nach dem anderen kommt über meine Lippen. Übermut? Galgenhumor meines Unterbewussten, das schon Angst hat vor dem, was gleich kommt? Ganz egal. Jedenfalls reicht es Coach Cigdem irgendwann und sie weist mich, quasi kurz vor dem Start, dezent und vorsichtig darauf hin („Max, du laberst heute die ganze Zeit so eine Scheiße!“). Ich grinse und weiß genau: Das Lachen wird mir schon noch vergehen.

Während der Countdown langsam von Zehn auf Null herunterzählt, bereite ich mich seelisch und moralisch auf 55 Deadlifts, 55 Wallballs, 55 Kalorien auf dem Rudergerät und 55 Handstand-Push Ups vor - alles zu absolvieren in 13 Minuten als AMRAP. An eine zweite Runde ist gar nicht zu denken - Optimalziel: einen vollen Durchgang schaffen, was 220 Reps entsprechen würde. Der Gong ertönt und ich starte in die Deadlifts. Während ich im Vorfeld noch getönt habe, dass ich die 100kg locker in 10er-Sätzen durchziehe, merke ich: Nach einer Runde muss ich umplanen. In solchen Momenten wünsche ich mir, dass das 13-jährige pubertierende Großmaul in mir des Öfteren mal seine Klappe halten könnte. Tut es aber nicht, es macht eben einfach zu viel Spaß. Als ich mich zu den Wallballs schleppe und innerlich schon die Farbe meines Rollators abwäge, wird mir klar, dass ich jetzt 55 mal diesen verdammten Medizinball auf 10 Fuß Höhe werfen, ihn fangen und dann in den Squat gehen muss. Während mein Herz im Takt zu Limp Bizkit und Metallica donnert, ist als nächstes das Rudern an der Reihe. „Komm, das muss doch gehen. Stell’ dich nicht so an!“, denke ich mir, während ich die ersten Züge mache. Wie anstrengend 55 Kalorien rudern sein können, merke ich ab Minute 12 des Workouts. Die 55 Kalorien scheinen unrealistisch zu werden und die Zeit ist mein Feind. Aber dieses Mal gebe ich nicht auf und gebe alles. Vollgas, Schlusssprint. Während um mich herum- ich weiß nicht mehr wie viele - Leute stehen und mich anfeuern, läutet mein Herz seinen Zapfenstreich ein: Schönen Dank, dass Sie dabei waren, hier ist jetzt Sendeschluss. Vielen Dank und auf Wiedersehen, das war’s. Mit dem letzten Zug mache ich die 55 Kalorien voll und die Uhr springt auf 13:00. Schluss, Aus, Vorbei. 165 Reps Geschafft! Ich sacke mit geschlossenen Augen vom Rudergerät und spüre den Geschmack von Blut im Mund, den man hat, wenn man sich bis zum Ende verausgabt.

Nach gefühlten 30 Minuten regungslosen Herumliegens, in denen Alex sich den Spaß machte und mich fotografierte, kann ich mich langsam aufraffen, aber die dummen Sprüche sind mir vergangen. Nach dem Umziehen und der Heimfahrt schleppe ich mich in die Dusche und nach einem Telefonat danach, bei dem ich mich schon kaum noch wach halten kann, sinke ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Cigdem wäre zufrieden. Ich bin es allemal. Gute Nacht.

Euer Max